Stand der Forschung und Presseberichterstattung

In den Neunziger Jahren erschienen erste Presseberichte, die sich mit dem Thema Rückverlagerung auseinandersetzen. In diesen Artikeln werden zumeist Fallbeispiele von Unternehmen dargestellt, die aus dem Ausland rückverlagert haben. Hierbei erhalten rückverlagernde Unternehmen Attribute wie „Reumütige Rückkehrer“ (MÜLLER 1996: 258). In den Presseberichten werden meist exemplarisch größere Unternehmen aufgezählt, die eine Rückverlagerung aus dem Ausland vorgenommen haben. Dabei wird zumeist nur ein Augenmerk auf das Versagen des Managements und dem darausfolgenden Scheitern der Internationalisierungsstrategie gelegt (vgl. SCHULTE 2002: 105).

BORGMANN/KLOSTERMEYER/LÜDICKE (2000) stellen eine Übersicht von Rückverlagerungsfällen aus der Presseberichterstattung mit den jeweiligen Rückverlagerungsgründen dar. Des Weiteren lassen sich immer wieder in der betriebswirtschaftlichen Literatur Fallbeispiele von rückverlagernden Unternehmen finden.[3] Wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema Rückverlagerung wurden zum ersten Mal in den Achtziger Jahren angestellt. Hierbei wurde von einer sogenannten„Rückverlagerungsthese“ ausgegangen. Es wurde davon ausgegangen, dass es aufgrund der Veränderung in der Mikroelektronik zu einer Modifizierung in der Kostenrechnung kommen würde und es somit verstärkt zu Produktionsrückverlagerungen
aus Niedriglohnländer kommen würde (vgl. OLLE 1985: 17). Durch den Fortschritt in
der Mikroelektronik und der daraus resultierenden Verbesserung vorhandener und
der Entwicklung neuer Produkte sollte es zu Produktivitätssteigerungen kommen.
Diese Produktivitätssteigerungen sollten zusätzlich zu einer verstärkten Zahl von
Rückverlagerungen aus den Entwicklungsländern führen (vgl. JUNGNICKEL 1990:
15f.)
. Als weitere Gründe für die Rückverlagerung vor allem die Instabilität in Entwicklungsländern, des Weiteren der Protektionismus von den Industrieländern und
schließlich den abnehmenden Einfluss, den Gewerkschaften in Industrieländern ausüben,
aufgeführt (vgl. JUNNE 1985: 149).

Diese Rückverlagerungsthese wurde daraufhin in mehreren Untersuchungen überprüft. Keine der Studien konnte aber einen Rückverlagerungstrend aus Billiglohnländer bestätigen (vgl. JUNGNICKEL 1990; vgl. LÜCKE 1992).
Das Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) griff die
Untersuchung von Rückverlagerungen 1997 in seiner Erhebung „Innovation in der
Produktion“ (PI) wieder auf.[4] Die PI-Erhebung ist eine Erhebung, die die Verlagerungen ins Ausland und die Rückverlagerungen nach Deutschland des Verarbeitenden Gewerbes untersucht. Ein Beitrag zum Untersuchungsgegenstand Rückverlagerung wird in dieser Arbeit u.a. dadurch geleistet, indem der Anteil der Betriebe, die Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagern bzw. nach Deutschland zurückverlagern, betrachtet wird. Hierbei werden auch die Betriebsgrößenklassen, Branchen, Rückverlagerungsregionen und Motive für Rückverlagerungen aus dem Ausland
untersucht. Zusätzlich wird die Veränderung der Verlagerer- und Rückverlagererquote
im Zeitverlauf untersucht. Es wird weiter erfragt, zu welchen Anteilen Betriebe in
der Zukunft Verlagerungen bzw. Rückverlagerungen planen (vgl. KINKEL/
LAY/MALOCA 2004: 6f.)
. Mit dieser Untersuchung wird ein großer Beitrag geleistet
das Phänomen der Rückverlagerung zu erklären. Hier wird die Dynamik derTrends und Motive der Produktionsverlagerungen ins Ausland und Rückverlagerungen
nach Deutschland beleuchtet (vgl. SCHULTE 2002: 111). Die Untersuchung
zeigt, dass in den Jahren 2001 bis 2003 die Quote der Unternehmen, die ihre Produktion
wieder nach Deutschland zurückverlagert haben bei 4,4 % lag (vgl. KINKEL/
LAY/MALOCA 2004: 27)
.


SCHULTE (2002) liefert als Erste eine sehr umfassende qualitative Untersuchung ab,
die sich mit dem Thema Rückverlagerung deutscher Unternehmen aus dem Ausland
befasst. Aufbauend auf Internationalisierungstheorien wird hier die Rückverlagerung
als Prozess, bestehend aus Verlagerung in das Ausland, der Auslandsproduktion und
der eigentlichen Rückverlagerung, untersucht. Hierbei werden die einzelnen Phasen
durchleuchtet und dahingegen untersucht, welche Umstände in den einzelnen Phasen
schließlich die Rückverlagerungsentscheidung beeinflusst haben. Es werden hierzu
zehn kleine und mittlere Unternehmen anhand von ausführlichen Fallstudien untersucht.
Die Arbeit legt zwar ihr Hauptaugenmerk auf kleine und mittlere Unternehmen,
liefert aber auch gleichzeitig wichtige Anhaltspunkte für die Erklärung von
Rückverlagerungen von großen Unternehmen.
Eine weitere Untersuchung führte die TCW Transfer-Centrum GmbH & Co. KG für
Produktions-Logistik und Technologiemanagement im Auftrag des Verbandes der
Bayerischen Metall- und Elektroindustrie durch. Die Untersuchung hatte sich zum
Ziel gesetzt, eine detaillierte Analyse der Standortgestaltungstrends von Unternehmen
zu liefern. Hierbei wurden die Entwicklungen in Hinblick auf Verlagerungen,
Rückverlagerungen und der Optimierung von Standorten hinterfragt. Die Studie beschränkt
sich aber hinsichtlich der Untersuchung von Rückverlagerungen im wesentlichen
auf die Frage, welche Funktionsbereiche aus dem Ausland wieder rückverlagert
wurden und bei welchen Funktionsbereichen es geplant ist, sie wieder aus dem
Ausland rückzuverlagern (vgl. TCW 2004: 1).

 

[3] U.a. stellen LAY et al. (2000: 167ff.) die Rückverlagerung von dem Hersteller von Gummihandschuhen KCL dar. Auch STAMM/LENSEN/BEUTLER (2000: 76f.) berichtet von einem Rückverlagerungsfall eines Trauerkartenherstellers.

[4] Die Erhebung wird alle zwei Jahre durchgeführt. Die Stichprobengrößen lag im Jahr 2003 bei
13.295 Betrieben aus der Chemischen Industrie, Der Industrie für Gummi- und Kunststoffwaren,
Industrie zur Herstellung von Metallerzeugnissen, dem Maschinenbau, der Industrie für die Herstellung für Büromaschinen, Datenverarbeitungsgeräten und -einrichtungen, der Industrie für die Herstellung von Geräten der Elektrizitätserzeugung, -verteilung und ähnlichem, der Rundfunk-, Fernseh- und Nachrichtentechnik, der Medizin-, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, der Industrie für die Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen sowie aus dem sonstigem Fahrzeugbau.

Borgmann, Claudius; Klostermeyer, Axel; Lüdicke, Tanja (2000): Strategische und organisatorische Erfolgsmuster der Herstellung von Einfachprodukten am Standort Deutschland. In: Schmierl, Klaus (Hg.): Intelligente Produktion einfacher Produkte am Standort Deutschland. Frankfurt: Campus Verlag: 61-95.

Jungnickel, Rolf (1990): Technologien und Produktionsverlagerungen. Hamburg: Verlag Weltarchiv.

Junne, Gerd (1985): Neue Technologien bedrohen die Exporte der Entwicklungsländer. Prokla – Zeitschrift für politische Ökonomie und sozialistische Politik 60(1985)9: 142-159.

Kinkel, Steffen; Lay, Gunter; Maloca, Spomenka (2004): Produktionsverlagerungen ins Ausland und Rückverlagerungen. Ergebnisse aus der Erhebung „Innovationen in der Produktion“ des Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik. Bericht zum Forschungsauftrag Nr. 8/04 an das Bundesministerium der Finanzen. Karlsruhe: Fraunhofer Institut für Innovation und Systemtechnik.

Müller, Eva (1996
): Reumütige Rückkehrer. Etliche Firmen, die billig in Deutschland produzieren, kommen wieder nach Deutschland. FOCUS 5(1996)39: 258260.

Olle, Werner (1985): Abschied von der „neunen internationalen Arbeitsteilung“. Neue Technologien führen zur Rückverlagerung von Auslandsfertigungen aus Entwicklungsländer. EPD-Entwicklungspolitik 11(1985)20-21: 17-21.

Schulte, Anja (2002): Das Phänomen der Rückverlagerung. Internationale Standortentscheidungen kleiner und mittlerer Unternehmen. Wiesbaden: Gabler.

TCW (2004): Unternehmensstandort Deutschland. Wege zu einer wettbewerbsfähigen Wertschöpfungsgestaltung. Zusammenfassung der Studie. München: TCW.
Stamm, Wilfried; Lensen, Christoph; Beutler, Kai (2000): Erfahrungen aus der Beratungsarbeit zur Gestaltung von Arbeit und Technik – die Globalisierungspraxis. WSI Mitteilungen 28(2000)1: 75-77.